Karl Marx revisited – Krisen oder über die Gültigkeit marxistischer Kategorien

Die Finanzkrise von 2008 (1)

Die Finanzkrise von 2008 ist jetzt 10 Jahre vorbei und es ist – glaubt man den Medien – eine neue Finanzkrise im Anmarsch. Die Ursache der Finanzkrise von 2008 wird in den Medien hauptsächlich als eine Art krimineller Akt vornehmlich einiger US‐amerikanischen Hypothekenbanken und anderen Finanzinstituten, dem Finanzkapital, dargestellt.

Unter dem Begriff Finanzkapital versteht man alle Institutionen, die Geld sammeln, um dieses ertragsbringend zu verwerten. Dazu zählen Banken, Hedge‐Fonds, Lebensversicherung, Anlagefonds u.ä. Mit relative wenig Eigenkapital verwalten diese Gesellschaften riesige Vermögen. Hier die Bilanzsummen (die Bilanzsumme bezeichnet die Summe der Vermögensgegenstände) einiger Firmen im Vergleich des Jahres 2017:

Deutsche Bank 1.591 Mrd. €
Commerzbank 480 Mrd. €
JPMorgan Chase (größte US‐Bank) 2.168 Mrd. $
Blackrock (größter Vermögensverwalter weltweit) 6.200 Mrd. $
Allianz 940 Mrd. €
Volkswagen 450 Mrd. €
Toyota ca. 400 Mrd. €

Zum Vergleich: der Bundeshaushalt beträgt derzeit 316 Mrd. € im Jahr.

Die Bank Lehmann Brothers hatte im Jahr vor ihrer Insolvenz eine Bilanzsumme in Höhe von 692 Mrd. $. Zum Beispiel Blackrock, dessen europäischer Aufsichtsratsvorsitzender ggf. unser zukünftiger Bundeskanzler ist:

Blackrock ist an 38 deutschen Dax‐Unternehmen (Vonovia, Bayer, Allianz, BASF, Deutsche Bank, Siemens u.v.m.) beteiligt, davon zum Teil als größter Einzelaktionär.

In den USA und Japan ist die Altersversorgung hauptsächlich kapitalgedeckt, die Menschen bekommen im Alter ihre eingezahlten Beträge verzinst ausgezahlt. Nicht auszudenken, welche Folgen eine dauerhafte Finanzkrise bei den Renten haben wird. In Deutschland gibt es die umlagefinanzierten Renten, die Jungen bezahlen für die Alten. Ein System, welches durch die staatlich geförderten Riester‐ und Rüruprenten durchlöchert wurden. Auch Herr Merz hat bereits angekündigt, die Altersvorsorge mehr auf die finanzgedeckte Vorsorge ausweiten zu wollen.

Landläufig wird die Krise als Abfolge verschiedener Ereignisse dargestellt:

  • Dem Bauboom wegen niedriger Zinsen ab ca. 2002,
  • Hoher Beleihungsmöglichkeiten der Immobilien auch bei schlechter Bonität der Kunden,
  • des weltweiten Verkaufs und Weiterverkaufs der verbrieften Hypothekenkredite, d.h. die Umwandlung von Hypothekenforderungen in handelbare Wertpapiere, 
  • die bei wieder steigenden Zinsen fallenden Immobilienpreise, Stop des Immobilienbooms und platzen der Hypothekenkredite.

Folge: die Insolvenz von Lehmann Brothers und Ausbruch der Krise weltweit aufgrund der inzwischen weltweiten Verbreitung der Verbrieften Hypothekenkredite.

Schuld an der Krise seien:
 — die Gier und die Dummheit des amerikanischen Finanzkapitals
 — Fehlverhalten der Bankmanager
 — mangelhafte Regulierung der Finanzmärkte.

Tatsächlich war es nicht nur ein US‐amerikanisches Ereignis, was auf Deutschland und die Welt durchgeschlagen hat. In Europa gab es in Spanien, England und Irland starke Immobilienspekulationen. In diesen Ländern stieg die Verschuldung der Bevölkerung stark an. Auch dafür wurde hernach der schlechte Kreditstandard verantwortlich gemacht. Auch der Handel mit faulen Krediten war bei deutschen Banken sehr beliebt und es wurden schon vor den späteren Badbanks Zweckgesellschaften zur Auslagerung dieser Papiere gegründet. In Deutschland gab es eine Schifffahrtsblase, die später zur Insolvenz der Nord‐LB führte und den Hamburger und Schleswig‐Holsteiner Haushalt noch jahrelang belasten wird. Schon vor der Lehmann‐Krise mussten deutsche Banken gerettet werden (IKB, Sachsen‐LB, die West‐LB, Düsseldorfer Hypothekenbank).

Karl Marx – Krisentheorie (1)

Nach Karl Marx sind Wirtschaftskrisen elementarer Bestandteil der kapitalistischen Produktionsweise. Die wesentliche Ursache liegt im zeitlichen Auseinanderfallen des Beginns der Produktion und des Endes der Produktion, der Verwertung der produzierten Waren.

Eine erfolgreiche Mehrwertproduktion, ein ausreichender Profit, ist davon abhängig, dass ständig auf einer höheren Stufe produziert wird, dass ständig die lebendige Arbeit durch tote Arbeit, d.h. durch Maschinen, ersetzt wird. Es entstehen zwangsläufig Investitionszyklen, in denen die konkurrierenden Kapitale am Ende eines solchen Zyklus Überkapazitäten geschaffen haben und ihre Waren wegen des Überangebots nicht mehr zu ausreichenden Preisen verkaufen können. (Dem ehemaligen Fiat‐Boss Agnelli wird die Aussage nachgesagt, es gäbe natürlich zu viele Autos, aber zu wenig Fiats.)

Auch das Gesetz vom tendenzielle Fall der Profitrate entfaltet seine Wirkung. Es besagt, dass bei stetig wachsenden Maschinenanteil und stetig sinkenden Arbeitsanteil die Arbeit einen immer größeren Mehrwert schaffen muss, um die Profitrate gleich zu halten. Lediglich die Arbeit ist in der Lage, den Waren Mehrwert zuzusetzen. In der Tendenz ist es nicht möglich, die Profitrate auf dieser Basis stabil zu halten. Sie muss sinken.

Die entstehende Überproduktionskrise wird über die Vernichtung von Kapital bereinigt, so dass das verbleibende Kapital bessere Möglichkeiten hat, die Profite zu realisieren. Die Kapitalvernichtungen finden durch Firmenpleiten, Firmenverlagerungen ins billigere Ausland u.v.m. statt.
Die größten Kapitalvernichtungen in Deutschland hat es nach den beiden Weltkriegen gegeben. Nach dem ersten Weltkrieg wurden die Kriegsschulden durch das Drucken von zusätzlichem Geld getilgt. Die daraus entstehende Hyperinflation 1923 wurde billigend in Kauf genommen. Schließlich konnte sich die Regierung somit aller inländischen Kriegsschulen entledigen. Lediglich auf den ausländischen Schulden, die in Dollar bezahlt werden mussten, blieb man sitzen. 

Der 2. Weltkrieg war ökonomisch gesehen auch eine gigantische Kapitalvernichtung. Die Währungsreform 1948 hat ebenso fast alle Geldforderungen vollständig vernichtet. Größte Nutznießer waren der Staat und die Industrie, die ihre Kredite losgeworden sind.

Jede Überproduktionskrise äußert sich auch und vor allem als Finanzkrise: Kredite können nicht mehr zurückgezahlt werden, Aktien crashen, Banken bekommen Probleme. Die Aktivitäten auf den Finanzmärkten können die Krisenerscheinungen verstärken, zum Teil sogar auslösen. Die Ursache liegt aber in den zu Grunde liegenden fehlenden Verwertungsmöglichkeiten der produzierten Waren.

Die Finanzkrise (2)

Auch der Finanzkrise 2008 lag eine Überproduktionskrise zu Grunde. Überproduktionskrisen entstehen teilweise im Weltmaßstab, wobei die US‐Ökonomie eine besondere Rolle spielt. Wenn z. B. in den USA eine Rezession ausbricht, so hat dieses aufgrund der Bedeutung der US‐Ökonomie Wirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft. Diese Krisen können sich über den gesamten Globus ausweiten.

Im Jahre 2000 platzte an den Aktienmärkten die „Internetblase“. (Die Internetblase ist ein Ende der 90‐iger Jahre des vorigen Jahrhunderts entstandener Spekulationsboom an den Aktienbörsen. Ursache war die Spekulation auf Gewinne durch das entstandene Internet und dem neuen Mobilfunkbereich). Es begann eine weltweite Rezession, aber vor allem in den USA und Deutschland.

Um zu vermeiden, dass sich diese Rezession zu einer Weltwirtschaftskrise entwickelt, senkte die Federal Reserve Bank der USA massiv die Leitzinsen. (Der Leitzins steuert die Kreditvergabe der Zentralbanken an die anderen Banken und daraus folgend die Zinsen für andere Kreditnehmer). Diese sanken in der Zeit von 2001 bis 2003 von 6,5% auf 1%. Ziel war es, den privaten Konsum zu erleichtern und speziell auch den Bau von Häusern zu fördern.

Ergebnis dieser Niedrigzinspolitik waren niedrige Kreditzinsen für den Häuserbau und Autokauf. Kein Haus und kein Auto wird ohne Kredit gekauft. Es entstand ein vorübergehender Boom.
Als die Fed die Zinsen wieder wegen Überhitzung der Konjunktur und drohender Inflation anhob (bis 2006 auf 5,25%) platzten viele Kredite, die aufgeschobene Überproduktionskrise schlug wieder zu, kulminierend in den Pleiten von Lehmann Brother (2008), und Chrysler und der staatlichen Übernahme von General Motors wegen drohender Insolvenz.

Es waren riesige staatliche Bemühungen in den USA, der EU und anderen Ländern notwendig, um den Ausbruch einer Weltwirtschaftskrise zu verhindern. Der Zusammenbruch der Banken wurde dadurch vermieden, dass die unverkäuflichen Wertpapiere (Schrottpapiere) in Badbanks ausgelagert werden konnten und in den Bankbilanzen mit 90% ihres Anschaffungswertes weiter bilanziert werden konnten. Normalerweise müssen Wertpapiere bei den Banken zu ihrem Wert am Bilanzstichtag bilanziert werden. Durch die Verlagerung in Badbanks reichte es, dass die Banken lediglich einen Wertabschlag von 10% vornehmen mussten. Mit einem ähnlichen zulässigen Bilanzierungstrick hat die rot‐grüne Koalition im April 2002 die Insolvenz von Lebensversicherungen verhindert, da sie ihnen ermöglichte, bestimmte Anlagen nicht auf den niedrigeren Wert zum Bilanzstichtag abzuwerten, die die Insolvenz der Versicherungen zur Folge gehabt hätte.

Durch die Ausgliederung der Schrottpapiere wurden die Risiken auf spätere Jahre verlagert. Die Regierungen übernahmen Garantien.
Weiterhin wurden umfangreiche Konjunkturprogramme aufgelegt, um die stockenden Absatzmärkte wieder in Bewegung zu bringen.

Die Darstellung der Krisen als Finanzkrisen

Mit der Deutung der Krisen als durch das Finanzkapital verursachte Krisen hat man die Möglichkeit, von den eigentlichen Ursachen, der krisenhaften kapitalistischen Produktionsweise, abzulenken. Sowohl in den 90‐iger Jahren als auch später gab es weltweite Rezessionen. Japan befindet sich seit Beginn der 90‐iger Jahre in einer permanenten Rezession. Die Wirtschaft wird stets nur durch eine Niedrigzinspolitik und eine riesigen Kreditaufnahme des Staates am Leben gehalten. (Die Staatsverschuldung stieg von 1990 bis 2017 von 67% des Bruttoinlandproduktes auf 230%.)

Grundlage der kapitalistischen Produktion ist der Einsatz von Geld als Kapital, die Beschaffung von Waren und Maschinen und dem Einsatz von Arbeitskraft und die Rückverwandlung in Geld durch den Verkauf der erzeugten Waren. Wichtig dabei ist, dass zum Schluss mehr Geld vorhanden ist, als vorher eingesetzt wurden, damit die Chose weiter gehen kann. Marx bringt diesen Prozess auf die einfache Formel: G – W – G‘ (Geld – Ware – mehr Geld).

Das Funktionieren kapitalistischer Produktion lässt sich nicht vom Geldkreislauf und dem Kredit abkoppeln. Der Kredit ist zwingend notwendiger Teil kapitalistischer Produktionsweise. Nur er ermöglicht die Ausweitung der Produktion, die notwendig ist, um einen Profit zu realisieren. Aber die Ursache der Krise vor allem in der Finanzwelt zu suchen, reißt Zusammenhänge auseinander und kommt zu unsinnigen Schlussfolgen.

In der Überproduktion, Kreditsystem etc. sucht die kapitalistische Produktion ihre eigene Schranke zu durchbrechen und über ihr Maß hinaus zu produzieren. Sie hat einerseits diesen Trieb. Andererseits erträgt sie nur eine der profitablen Anwendung des existierenden Kapitals entsprechende Produktion. Daher die Krisen.“

K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 119.

Wirft das reale Kapital keine Jungen mehr ab, wandert das Finanzkapital zwangsläufig in nicht produktive Bereiche ab. Die Mietpreissteigerungen sind Ausdruck davon, dass Häuser in großem Umfang zu Anlageobjekten werden. Die Privatisierungen unterwerfen Krankenhäuser, Elektrizitätswerke, Straßen, Bahnen und anderes Gemeineigentum der Mehrwertproduktion und damit der Profitsicherung.

Zu meinen, dass sogenannte schaffende Kapital sei im Gegensatz zum sogenannten raffenden Kapital gut, ist irrwitzig. Der Dieselskandal spricht Bände. Darüber hinaus basiert diese Unterscheidung im Wesentlichen auf antisemitischen Stereotypen.

Die Nationalsozialisten waren bemüht alle Geldmittel in die Staatskassen zu lenken, um die Aufrüstung und Infrastrukturmaßnahmen zu finanzieren. Hierzu wollten sie keine Konkurrenz durch das sogenannte „raffende“ Bankkapital dulden. Der Versuch, die Privatbanken zu verstaatlichen ist zwar gescheitert, aber man hat sie durch restriktive Gesetze ausgebremst, so dass sie wie die Sparkassen zu Geldsammelstellen für den Staat wurden. Geschäfte mit der Industrie (Investmentbanking) wurden verboten.

Das „schaffende“ Kapital, das Industriekapital, wurde begünstigt. Aufgrund der enormen Investitionen des Staates in die Rüstung und Infrastrukturmaßnahmen konnte das Industriekapital riesige Gewinne realisieren, während die Banken vergleichsweise darbten. Die Nationalsozialisten haben eine vom Weltmarkt weitgehend abgekoppelte autarke Wirtschaft angestrebt. Der Zugang zum internationalen Kreditsystem war ihnen verschlossen. Die benötigten gewaltigen Finanzierungsmittel des Staates wurden über Anleihen besorgt, die von der Bevölkerung und Industrie gezeichnet wurden. Die Banken wurden erst Ende der 30‐iger Jahre wieder „losgelassen“, um bei der „Arisierung“ jüdischen Besitzes und bei dem Gold‐ und Devisendiebstahl in den besetzen Länder mitzuhelfen. 

Karl Marx – Krisentheorie (2)

Karl Marx sah in den verheerenden Folgen der Wirtschaftskrisen einen Hoffnungsschimmer einer sozialistischen Welt, da die ausgebeutete Arbeiterklasse den Kapitalismus beseitigen würde, weil sie nicht mehr zu verlieren habe, als ihre Ketten. Dieser Hoffnungsschimmer ist im Laufe der letzten 150 Jahre so ziemlich vollständig abhanden gekommen. Der Faschismus in Folge der Weltwirtschaftskrise und die Rechtsentwicklung überall in der Welt sprechen eine eindeutige Sprache und lassen keinen Optimismus zu.

Leider ist alles anders gekommen, als von Marx erhofft, sehr zum Triumph der Kapitalismusbefürworter. Der Versuch des deutsche Kapitals noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts seine Weltmarkposition mit Hilfe von zwei Kriegen zu verbessern, ist gescheitert. Besser lief es nach dem 2. Weltkrieg durch friedliche Markterweiterungen (EU und andere Abkommen). Die während und nach dem Krieg stattgefundene Kapitalvernichtung hat hierbei sehr geholfen.

Die Rolle des Staates bei der Krisenlösung

Es gab auch nach dem 2. Weltkrieg regelmäßig Krisen, aber ihre negative Wirkung hielt sich in den hochindustriellen Ländern in Grenzen. Die Ursache dafür lag vor allem in zwei Faktoren:

  1. Die erfolgreiche Teilnahme des deutschen Kapitals an der Globalisierung, Kompensation nicht ausreichender Inlandsnachfrage durch Exporte, Absicherung der Profite durch verbilligte Produktion im Ausland, Verbilligung der Waren durch Import etc. (Siehe dazu auch das Referat von Christian „100 Jahre Globalisierung“.)
    Die Globalisierung wurde von Marx und Engels im Kommunistischen Manifest sehr gut dargestellt, die spätere Realität konnte natürlich in ihrem tatsächlichen Umfang nicht antizipiert werden. Auch die Eingriffsmöglichkeiten des Staates in die Ökonomie der Länder war nicht vorhersehbar. Man erinnere sich: der deutsche Staat wurde erst vier Jahr nach Erscheinen des “Kapital” gegründet.
  2. Der Eingriff des Staates in die Ökonomie, insbesondere auf die Steuerung in den Krisen.
    Die heutigen Eingriffsmöglichkeiten des Staates waren in früheren kapitalistischen Perioden überhaupt nur in Zeiten des Krieges denkbar.
    Die wichtigste Einflussnahme des Staates besteht in der Möglichkeit staatlicher Kredit‐ und Geldpolitik.
    Insbesondere in Krisenzeiten ist dieses Mittel nicht zu unterschätzen.
    Die Schulden der Bundesrepublik sind nach der Gründung der Bundesrepublik, insbesondere nach der Wiedervereinigung explosionsartig gestiegen.

Derzeit hat der deutsche Staat ca. 2.000 Milliarden € Schulden. Gemessen am Bruttosozialprodukt (BSP‐ das Bruttosozialprodukt beinhaltet alle geschaffenen Güter und Dienstleistungen in einem Jahr) ist das noch im Vergleich zu anderen Staaten relativ gering. Deutschland hat Schulden in Höhe von ca. 60% des BSP, wohingegen Japan eine Schuldenquote von ca. 230% hat (die USA 108%). Wie oben bereits geschildert hat der deutsche Staats nach der Finanzkrise 2008 erhebliche Garantieren übernommen, die in die Berechnungen gar nicht eingehen.

Das mit den Schulden ist insoweit vertrackt, als sie irgendwann zurückgezahlt werden müssen. Beim einem jährlichen Schuldendienst von ca. 22 Milliarden € würde es 100 Jahr dauern, bis die gesamten Staatsschulden zurückgezahlt werden. Dabei müsste der gesamte Staatshaushalt für den Schuldendienst verwandt werden. Dass dies gar nicht möglich ist, liegt auf der Hand.
Das System funktioniert solange die Kreditgeber des Staates glauben, dass sie ihren Kredit nach den vereinbarten 5 oder 10 oder 15 Jahren zurückbekommen. Es geht dabei immer um die Glaubwürdigkeit des Kreditnehmers. Gegenüber anderen Kreditnehmern hat der Staat den Vorteil, dass er für den Kredit keinen Gegenwert nachweisen muss, er muss auch nicht nachweisen, dass er die Kredite aus dadurch entstehenden zusätzlichen Einnahmen ausgleichen wird. Er kann dies aber behaupten und tut das auch. Der Staat muss mit seiner finanziellen Potenz einfach nur glaubwürdig sein.

Wenn die Schwellenländer und Entwicklungsländer Ihre Kredite auf den internationalen Finanzmärkten aufnehmen, droht ihnen bei Währungsschwankungen schnell der Staatsbankrott.

Im August 2018 stellten die Grünen einen Antrag im Bundestag. Zur Vermeidung weiterer Finanzkrisen forderten sie: eine stärkere Fusionskontrolle bei Kreditinstituten, Schuldenbremse bei Kreditinstituten in Höhe von 90 % der Bilanzsumme, die Regulierung von Schattenbank (Kreditfonds etc.), eine Finanztransaktionssteuer u.v.m.

Diese Forderungen haben einen Touch von Bullerbü und unterliegen wie alle Programme, die meinen, die Finanzkrisen durch Reglementierung des Banken‐ und Finanzwesens verhindern zu können, einem Trugschluss: der zugrunde liegende krisenhafte Verwertungsprozess des Kapitals wird immer wieder durchgreifen. Und es droht immer wieder der Kollaps.

Zum Schluss

Die Krisen sind immer nur momentane gewaltsame Lösungen der vorhandenen Widersprüche, gewaltsame Eruptionen, die das gestörte Gleichgewicht für den Augenblick wiederherstellen. Der Widerspruch ganz allgemein ausgedrückt, besteht darin, dass die kapitalistische Produktionsweise eine Tendenz einschließt nach absoluter Entwicklung der Produktivkräfte, abgesehen vom Wert und dem in ihm eingeschlossenen Mehrwert, auch abgesehen von den gesellschaftlichen Verhältnissen, innerhalb deren die kapitalistische Produktion stattfindet; während sie andererseits die Erhaltung des existierenden Kapitalwerts und seine Verwertung im höchsten Maß (d. h. stets beschleunigten Anwachs dieses Werts) zum Ziel hat. Ihr spezifischer Charakter ist auf den vorhandenen Kapitalwert als Mittel zur größtmöglichen Verwertung dieses Werts gerichtet. Die Methoden, wodurch sie dies erreicht, schließen ein: Abnahme der Profitrate, Entwertung des vorhandenen Kapitals und Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit auf Kosten der schon produzierten Produktivkräfte. (…) Die kapitalistische Produktion strebt beständig, diese ihr immanenten Schranken zu überwinden, aber sie überwindet sie nur durch Mittel, die ihr diese Schranken aufs neue und auf gewaltigerem Maßstab entgegenstellen. Die wahre Schranke der kapitalistischen Produktion ist das Kapital selbst, ist dies: dass das Kapital und seine Selbstverwertung als Ausgangspunkt und Endpunkt, als Motiv und Zweck der Produktion erscheint; dass die Produktion nur Produktion für das Kapital ist und nicht umgekehrt die Produktionsmittel bloße Mittel für eine stets sich erweiternde Gestaltung des Lebensprozesses für die Gesellschaft der Produzenten sind. (…) Das Mittel – unbedingte Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte – gerät in fortwährenden Konflikt mit dem beschränkten Zweck, der Verwertung des vorhandenen Kapitals. Wenn daher die kapitalistische Produktionsweise ein historisches Mittel ist, um die materielle Produktivkraft zu entwickeln und den ihr entsprechenden Weltmarkt zu schaffen, ist sie zugleich der beständige Widerspruch zwischen dieser ihrer historischen Aufgabe und den ihr entsprechenden gesellschaftlichen Produktionsverhältnissen.“

K. Marx, Kapital III, MEW 25, 259